Thursday, 02 January 2014

Kurzgeschichte der Sammelbewegung déi Lénk

Der Gründungskongress von déi Lénk/la Gauche fand am 30. Januar 1999 im Casino Syndical von Luxemburg-Bonneweg statt. Die Gründung stand am Ende einer längeren Entwicklung. Viele MilitantInnen der Linken waren sich bewusst geworden, dass die alten Gegensätze überholt seien und dass es notwendig sei alle politischen Kräfte zusammenzufassen, die sich links von der Sozialdemokratie befinden und die Verwaltung der bestehenden Verhältnisse ablehnen. Die Sozialdemokratie hatte sich unter den Bezeichnungen „New Labour“ oder „Neue Mitte“ den neoliberalen Ideen angepasst.

déi Lénk/la Gauche brachte es fertig, die Kommunistische Partei Luxemburgs, die Nei Lénk, die Revolutionäre Sozialistische Partei, ehemalige MilitantInnen der sozialistischen Jugend und der Sozialistischen Arbeiterpartei, GewerkschaftlerInnen des öffentlichen Sektors und Unorganisierte zusammen zu bringen.

déi Lénk/la Gauche wählte bei ihrer Gründung eine spezifische Organisationsform. Die Mitgliedschaft ist individueller Natur. Die beteiligten Parteien und Gruppierungen können weiter bestehen, sie haben aber keine Vorrechte und kein Vetorecht im Rahmen der Sammelbewegung. Die Mitglieder entscheiden über die Politik von déi Lénk/la Gauche und die gewählten MandatärInnen sind allein verantwortlich vor den Mitgliedern von déi Lénk/la Gauche.

déi Lénk/la Gauche trat zu den Parlaments- und Europawahlen vom 13. Juni 1999 mit vollständigen Listen an. Sie erhielt bei den Parlamentswahlen auf Anhieb 3,3% der Stimmen und eroberte einen Sitz im Parlament. Bedingt durch die hohen Verluste der Sozialisten wurde eine neue Koalitionsregierung von den Christlich-Sozialen und den Liberalen gebildet.

Die Gemeinderatswahlen vom 10. Oktober desselben Jahres bestätigten diesen Erfolg. déi Lénk/la Gauche erhielt einen Sitz in der Hauptstadt und zwei Sitze in Esch/Alzette, der zweitgrößten Stadt des Landes, und mehrere Sitze in anderen Industriegemeinden. Im Durchschnitt verbesserte sich der Stimmenanteil im Vergleich zu den Juniwahlen um 20%, so dass man den Einfluss nach den Gemeindewahlen auf 4% schätzen kann.

Unstimmigkeiten bei der Bildung eines neuen Schöffenrates in Esch/Alzette führten zu Neuwahlen am 30. April 2000, die zu einem Zuwachs an Stimmen für alle Linksparteien führten. déi Lénk/la Gauche wurde drittstärkste Kraft mit 12,78% der Stimmen (7,87% im Juni 99, 10,78% im Oktober 99). André Hoffmann von déi Lénk/la Gauche erhielt von allen Kandidaten die meisten Stimmen, sogar mehr als die Spitzenkandidatin der sozialistischen Partei, die spätere Bürgermeisterin Lydia Mutsch (3.140 gegen 2.851 Stimmen). Nach diesem Wahlerfolg trat déi Lénk/la Gauche, gemeinsam mit den Sozialisten (LSAP) und den Grünen, in den Schöffenrat ein.

Die Tätigkeit der gewählten Vertreter von déi Lénk/la Gauche ermöglichte eine kontinuierliche Präsenz in den Institutionen und den Medien. Die neue Sammelbewegung betrachtet aber die Beteiligung an den Wahlen und die Ausübung der Macht im Staat nicht als ihr Hauptziel. Sie legt großen Wert auf die Arbeit ihrer Mitglieder in den Gewerkschaften und den sozialen Bewegungen und in der Auslösung von außerparlamentarischen Initiativen.

Der Kosovokrieg hat die Flüchtlingsfrage zu einem dringenden Problem gemacht. déi Lénk/la Gauche war gegen diesen Krieg. Sie lehnte mit derselben Deutlichkeit die brutale Ausweisung von Menschen ab, die zur Desertion und zur Flucht aufgefordert wurden. Die Protestkundgebungen führten zu Zusammenstössen mit der Polizei, u.a. vor dem Hôtel Ibis, wo die für die Ausweisung bestimmten Menschen zurückgehalten wurden, und beim Versuch, den Abflug eines Flugzeuges zu verhindern.

Ein anderes Resultat dieses Krieges war, dass die von der Luxemburger Regierung eingeleitete militaristische Wende breiteren Kreisen der Bevölkerung bewusst wurde. déi Lénk/la Gauche lehnte die Erhöhung der Rüstungsaufgaben, die Beteiligung an so genannten Friedensmissionen „out of area“ (in Bosnien und Afghanistan) und die Rekrutierungskampagnen in öffentlichen Schulen ab. Sie glaubt nicht an eine europäische Verteidigung, die ein Gegengewicht zur amerikanischen Militärmacht darstellen soll.

Als sich im Herbst 2002 die Gefahr eines Krieges gegen den Irak zeigte, bildete sich eine neue Friedensbewegung um drei Organisationen, in denen MilitantInnen von déi Lénk/la Gauche eine bedeutende Rolle spielten, aber ohne vereinnahmen zu wollen: die Lëtzebuerger Friddensinitiativ, Jugend fir Fridden a Gerechtegkeet und Comité pour une Paix Juste au Proche Orient. Im Februar 2003 gelang es, 60 verschiedene Organisationen zu einem Aufruf für eine Friedensdemonstration zu bewegen, der am 15. Februar von 15.000 Personen befolgt wurde, was in Luxemburg in diesem Ausmaß noch nie der Fall war. Diese Massenbewegung zwang die Regierung Juncker zu einer deutlicheren Haltung gegenüber den amerikanischen Plänen. Nach dem Beginn des Krieges streikten sämtliche Schüler des Landes.

Im März-April 2003 wurde die repressive Wende sichtbar. Diese neue Politik drückte sich in der Verschärfung der Gesetzgebungen und in Polizeiübergriffen gegen die Schüler, die belgischen Stahlarbeiter und vermeintliche Islamisten aus. Im Gegensatz zu den luxemburgischen Gewerkschaften, solidarisierte sich déi Lénk/la Gauche mit der Kundgebung der Europäischen Metallarbeiterföderation vor dem Arcelor-Gebäude. Sie bezeugte die polizeiliche Brutalitäten vor der Öffentlichkeit.

Die herannahenden Wahlen von Juni 2004 führten zu einer Verschlechterung der Beziehungen mit der KPL, die der Sammelbewegung vorwarf alle Tätigkeitsgebiete zu besetzen und sich wie eine Partei zu benehmen. Die KPL befürchtete eine Ausgrenzung ihrer MilitantInnen bei der Zusammensetzung der Kandidatenlisten. Der 3. Kongress von déi Lénk/la Gauche lehnte den Vorschlag der KPL ab, die Sammelbewegung durch ein Bündnis der Parteiapparate zu ersetzen.

Auf internationaler Ebene nimmt déi Lénk/la Gauche aktiv am Vereinigungsprozess teil, der zur Bildung einer europäischen Linkspartei der transformatorischen und der antikapitalistischen Strömung führen wird. Diese Entwicklung entspricht dem was déi Lénk/la Gauche seit 4 Jahren auf nationaler Ebene praktiziert.

Der Aufbau von déi Lénk/la Gauche kennzeichnet sich durch horizontale Strukturen, die im bewussten Widerspruch zu den meisten Traditionen der Arbeiterbewegung stehen. Für die Wahlmandate besteht die Regel der Rotation, die den Nachwuchs und den Mannschaftsgeist fördern soll. Die Führung der Sammelbewegung setzt sich zusammen aus Koordinationsgremien, in denen die Funktionen des Sitzungsleiters und des Berichterstatters turnusmäßig ausgeübt werden. Durch ihre Präsenz im Parlament verfügt die Sammelbewegung über ein bescheidenes Sekretariat. Seit Juni 2003 gibt die Sammelbewegung die wöchentlich erscheinende elektronische Zeitung „GOOSCH.lu“ heraus.